Hikmet
HIKMET SUGÖR / SNEAKER-DESIGNER & SOZIALES VORBILD.
Jeder ist auf irgendeine Art kreativ begabt.
Wenn Deine Ideen auf Papier konkrete Realität werden – das beglückt mich so richtig.
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Hikmet Sugör - Deutschlands Sneakerkönig

Können eine gigantische Sneaker-Sammlung und regelmäßig ausverkaufte Turnschuh-Designs zur „Legacy“, zu einem Vermächtnis für die Nachwelt im Sinne einer Manifestation von Zeitgeist sein? Welche Bedeutung haben die einzigartige Kollektion an Unikaten und die anhaltende Pole Position für den international anerkannten Branchen-Star selbst?

Wunschhaus unterhielt sich mit Hikmet Sugör in Berlin, der auch weltweit als Sneakerhead, als die maßgebliche Spürnase wie auch der Stilprägender Designer gilt, über Leidenschaft und Wertsteigerung, über das Traum-Zuhause, soziales Engagement und Familiensinn.

„Im Grunde bin ich gar kein Sammler-Typ“, sagt der Mann, der seit drei Jahrzehnten eine Szene von jungen und jung gebliebenen Leuten dirigiert, die in ausgefallene oder rare Sneakers und Vintage-Turnschuh-Modelle investiert und mit ihnen handelt, wie die High Society mit alten Uhren.

 

Hikmet Sugör, 48, wurde durch seinen Sneaker-Shop Solebox in Berlin Anfang 2000 bekannt bzw. etablierte sich damit in der Branche zum King of Taste & Trade. Er besetzt als Influencer mit knapp 80.000 Followern auf Instagram wie kein anderer die Pole Position am Markt und kollaborierte als Designer und Berater in den letzten 20 Jahren mit mehr als sechzig Labels und Produktmarken.

 

Für seine eigene Sneaker-Brand „Sonra“ präsentiert er jeden Monat an einem Sonntagabend, jeweils ein neues Modell in der Auflage von maximal 300 Stück, die in der Regel binnen weniger Minuten ausverkauft sind.

 

Wenn es Hikmets Zeit nur irgendwie erlaubt, übernimmt der leidenschaftliche Familienmensch gemeinnützige Arbeit in Berlin und engagiert sich mit ebenso viel Herzblut für die Charity-Plattform „One Warm Winter“. Aktuell animiert er darüber die Community, einen sozialen Dienst für Obdachlose zu leisten und spendiert dafür über eine Tombola sein gleichnamiges Sonra Spezialmodell.

 

Wie kam es zu Deinem Status als international anerkannter Sneakerhead? War das eine gezielte Karriere und die Erfüllung eines Traums?

Ich bin in Berlin geboren und in Charlottenburg als typisches Kind der Arbeiterklasse aufgewachsen. Uns hat es zuhause an nichts gefehlt, aber natürlich haben wir die Schuhe des älteren Bruders weitergetragen und waren dem Konsum bei Weitem nicht so verfallen wie es heute selbst unter den ganz Jungen schon Gang und Gebe ist. Ich fing stattdessen schon als Teenager an, nebenbei zu jobben, um mir meine speziellen Klamotten-Wünsche zu erfüllen.

Und von was hast Du als kleiner Junge geträumt?

Ich wollte auf jeden Fall ein richtig cooler Typ werden, sowas wie James Bond. Mit 15 oder 16 Jahren wusste ich dann allerdings schon genau, dass ich für die George-Lucas-Filme und Industrial Light & Magic deren Computer-Animationen fabrizieren möchte. Und so habe ich dann auch das Informatik-Studium begonnen. Das war aber strohtrocken und viel zu technisch und hatte nichts mit meinem Traum von Kreativität zu tun.

Wie kam es zum Sneaker-Business? Waren die Schuhe der zeitgeistige Ausdruck Deiner Haltung?

Das Sammeln hatte ich als Teenager zunächst mit Swatch-Uhren begonnen und dabei ziemlich schnell festgestellt, dass man selbst getragene Kleider, Uhren und Schuhe gewinnbringend wieder verkaufen kann.

 

Die Sneakers waren in der Tat so eine Mischung aus jugendlicher Selbstdarstellung und Immigranten-Statement. Damals war es revolutionär, die Dinger nach dem Sport einfach anzubehalten und auf der Straße zu tragen, selbst wenn sich der Lehrer darüber beschwerte. (lacht). Durch MTV und diese ganze neue Welle von Music-Clips, wollte ich mich dann natürlich erst recht so kleiden wie die Stars aus dem Kabelfernsehen und habe mit Taschengeld begonnen, mir meine Sneakers in Paris oder sonst wo zu besorgen bzw. einzutauschen.

Über die Grenzen berühmt, bist Du mit Deinem Solebox-Laden in Berlin geworden …

Ja, 2002 habe ich Solebox mit meinem älteren Bruder Sükret gegründet. Es war mein zweiter Laden und er lief von Anfang an so dermaßen gut, dass meine Frau Katja meinte, ich könnte mein BWL-Studium getrost an den Nagel hängen. Wir haben uns dann gemeinsam auf die Solebox-Welle und unser erstes Kind konzentriert.

 

Ich habe damals die ganz speziellen, bei uns in Deutschland meist gar nicht verfügbaren Modelle kreuz und quer bzw. viel aus den USA besorgt und importiert und damit frech die offiziellen Vertriebsketten insbesondere von Adidas und Nike ignoriert – bis die ziemlich eindeutige Ansage kam, „also Hikmet, entweder wir kooperieren oder wir gehen den Rechtsweg“. Keine Frage, dass ich da doch lieber mit den Big Playern kollaborierte und begann, mit fast allen großen Marken da draußen coole, neue Design-Projekte zu starten. Solebox selbst verkaufte ich 2013 aus familiären Gründen an Snipes sprich Deichmann. Damals bekamen wir auch unser zweites Kind.

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Und so wurdest Du zum Sneakerhead und hast das Designen gelernt?

Meine Frau würde mich jetzt sofort einbremsen, wenn ich behaupte, dass wohl jeder Mensch, der ein gewisses Ästhetik-Empfinden hat, mehr oder weniger designen kann. Bei den Sneakern, wenn wir jetzt technische Details und Funktionalitäten außen vorlassen, geht es natürlich in erster Linie um das Farb-Gefühl und den gewissen Instinkt, was an eigenwilliger Komposition oder überraschender Farb-Zusammenstellung für andere Leute spannend und reizvoll sein könnte. Das ist dann doch eine Gabe und kann doch nicht jeder. Da hat meine Frau wohl recht.

Und wie oder woher bekommst Du selbst Deine Inspiration?

Ich vergleiche diesen Prozess immer gerne mit dem Komponieren von Musik. Ein guter Produzent hat dieses Gespür, was ein Hit werden könnte, ohne dass er die Musik insgesamt neu erfinden muss. Du lebst von morgens bis abends in Deiner Themen-Welt, Du siehst und saugst alles auf und hast den Sneaker-Prototyp buchstäblich neben Deinem Teller auf dem Esstisch stehen. Irgendwann ploppt sie dann herein, die eine neue Idee „So, genau so muss es sein!“

 

Allein wenn man nur lernt, die Natur genauer anzuschauen, was für unglaublich gewagte Farbkombinationen bei Vögeln, Fischen oder Blumen zu finden sind – das ist der Hammer! Von Mikro bis Makro – diese Schönheit und Grundharmonie, die Systematik dahinter immer mehr zu sehen oder gar zu durchschauen – das inspiriert mich und wird immer mehr zur Quelle meiner Ideen.

„Sonra“, der türkische Name Deiner eigenen Marke, heißt auf Deutsch „danach“. Gibt es Überlegungen für die Zeit nach dem Sneaker-Hype?

Meine Frau und ich haben eine recht konkrete Exit-Strategie und die heißt: Irgendwann kaufen wir uns ein schönes, großes Haus weit weg von irgendeiner Stadt, wo man ringsum nicht ein weiteres Gebäude sieht. Das wäre cool bzw. noch besser wäre ein entsprechendes Stück Land, dass ich mit meiner Frau selbst bebauen darf. Und dann leben wir dort glücklich bis zum Lebensende von dem, was uns Mutter Natur liefert.

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Das heisst, Ihr träumt ganz konkret vom Haus-Bauen?

Ja, toll wäre ein großes Grundstück mit einer Bestandsimmobilie, mit einem alten Haus, einem Bungalow oder einer Scheune drauf – etwas mit Geschichte. Also eine Immobilie, die Leben mitbringt. Und diese Mauern dann nach eigenen Vorstellungen anpassen und zu unserem Traumhaus werden lassen – das wär’s!

Ich würde wahnsinnig gerne ein wenig erhaben über der Landschaft sitzen. Der weite Blick ist mir extrem wichtig. Viel Glas, auch wenn das zum Putzen doof ist. Und dann auch so ein bisschen Veranda mit Hollywood-Schaukel, auf der Du abends einfach nur dem Sonnenuntergang zuguckst.

Keine Angst vor Kitsch und Schnörkel?

Nun ja, die Sehnsucht nach Mediterranem habe ich natürlich genauso im Blut wie den Hang zum Orientalischen, die Lust auf das Warme und Gemütliche, durchaus auch Verschnörkelte. Wobei ich insgesamt eher der kühl reduzierte Bauhaus-Typ bin und zum Beispiel konsequent nur mehr schwarze T-Shirts trage.

 

„Wie herrlich easy ist das denn“, denke ich mir fast jeden Morgen. Aber ernsthaft: Genau diese Gegensätzlichkeit in mir buchstäblich unter einem Dach zu vereinen, das wäre wohl genau die tolle Herausforderung und das total Spannende am Selber-Bauen für mich und meine Family.

Kleine gemeine Zwischenfrage Hikmet – ausschließlich schwarze T-Shirts, aber 500 Paar Sneakers im Schrank?

(lacht.) Ja, ich weiß, ich besitze eindeutig zu viele Schuhe, auch wenn ich’s beruflich argumentieren kann und man die Sammler-Exemplare auch als Wertanlage sehen kann. Mein Kindheitstraum oder Arbeiterkind-Komplex geschuldet, dass ich als Inbegriff von Reichtum, ein eigenes Paar Turnschuhe für jeden Tag im Jahr gesehen habe. Und dieses Streben hat still und heimlich Überhand gewonnen.

Dabei sehe ich als Vater von drei Kindern ziemlich krass, wie sehr wir unser Konsum-Denken, diese Selbstverständlichkeit des Überflusses von Grund auf ändern müssen. Und meinen Juniors versuche ich ununterbrochen beizubringen, dass man im Leben nicht alles geschenkt bekommt und einfach so haben kann. Ich denke, es geht darum, bewusster zu konsumieren – weniger und dafür besser oder gezielter und ausgesuchter. Dass das durchaus funktioniert, merkt man bei der Ernährung.

 

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Bleiben wir noch kurz beim Thema Nachhaltigkeit. Deine Marke Sonra gilt ja als eine der Saubersten überhaupt …

Ja, ich bin mir meiner Verantwortung als Influencer natürlich sehr bewusst und habe aus genau dem Grund die Stadt Pirmasens in der Pfalz als Produktionsort für meine Schuhe gewählt. Wir verwenden qualitativ hochwertige Materialien, ausschließlich aus Deutschland und dem europäischem Umland, bieten einen Reparatur-Service für die Sohlen an und recyclen zum Beispiel die Produktionssreste aus dem Schaum-Material der Innensohlen direkt zum Granulat für die weitere Herstellung.

Auch habe ich nie Produktionsüberschuss, also Modelle für die Müllhalde rumliegen, weil ich mit meinen maximal 300 Paar Schuhen jeden Monat, weniger herstelle, als ich verkaufen könnte und andererseits nie durch künstliche Verknappung versuche, einen Hype zu kreieren. Das ist nämlich auch so eine beliebte BWL-Nummer. Nein, also Gier kann man mir nicht vorwerfen. Ich schaue, dass ich mit meiner sauberen Produktion den Apparat aufrecht erhalten kann und – that’s it.

Was möchte Hikmet Sugör nun der Welt als Vermächtnis hinterlassen?

Die Sneakers sind der Ausdruck meiner Freude am Kreieren. Dieses Schaffungsprinzip beglückt mich so richtig. Wenn das, was Du im Kopf gespielt und irgendwann auf Papier gebracht hast, eines Tages konkret anfassbare Realität wird – das ist was Wunderschönes!

 

Aber als Familienvater möchte ich auf jeden Fall dazu beitragen, den nächsten Generationen eine Welt zu hinterlassen, in der es noch Spaß macht, zu leben. Das bedeutet für mich nicht nur, alles momentan Machbare für unseren Planeten zu tun, sondern auch im gesellschaftlichen Umgang, in unserem Miteinander, entsprechende Gesten zu setzen und Dinge zu tun oder zu initiieren, die unseren Kids Lust machen. Aktionen, die cool sind und so auch ein Vorbild sein können.

Deshalb engagiere ich mich wirklich gerne für soziale Projekte – ja, ich würde gerne weitergeben, dass sogenannte gute Taten am Ende des Tages einem selber Spaß machen und ein total gutes Gefühl hinterlassen. Ein viel Schöneres, als wenn man dem „Schneller, Besser, Mehr“-Wettbewerb dauernd hinterherrennt. Für diese Animation nutze ich dann in der Tat meine Reichweite als Sneakerhead und Influencer – dafür setze ich meine Einfluss-Möglichkeiten wo und wie nur möglich ein.

 

Interview: Uta Gruenberger

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